„Jesus Christus, nostra salus.“ Könnten Sie das übersetzen, liebe Gemeinde?
Sind vielleicht solche unter uns, die des Lateinischen mächtig sind? Wohl nur wenige.
Und wenn wir diese ersten vier übersetzen können, so hätten wohl auch die ehemaligen Lateinschüler unter uns Schwierigkeiten, die weiteren sieben Strophen dieses alten Kirchenliedes zu übersetzen. Es ist – auch wenn wir das heute nur noch schwerlich empfinden – ein wundervoller, ja man muss sagen kunstvoller Gesang,
der wohl auf den Bischof Johann von Jenstein zurückzuführen ist, der vor 1400 lebte,
und der wohl auch bei seiner Dichtung auf eine ihm vertraute Melodie zurückgriff.

Dieser alte Gesang ist ein Lobgesang auf das heilige Abendmahl. Und weil die Feier des Abendmahls, der Eucharistie würden unsere katholischen Geschwister sagen,
etwas Heiliges ist, ist auch dieser alte Gesang „Jesus Christus, nostra salus“ kunstvoll gestaltet.

Im lateinischen Original erkennt man das daran, dass dieses Lied ein Akrostichon ist.

Dies bedeutet: Die Anfangsbuchstaben einer jeden Strophe ergeben zusammengenommen ein neues Wort. Ich habe Ihnen diesen alten lateinischen Text einmal auf der Rückseite des ausgeteilten Zettels abgedruckt. Und wenn Sie sich die einzelnen lateinischen Strophen anschauen und die jeweils ersten Buchstaben hintereinander lesen, erhalten sie ein neues Wort, das Lösungswort:
Johannes

Sehr kunstvoll also, und darum passend zu einem Lied, dass das Abendmahl in seiner Schönheit und Bedeutung beschreibt. Nur, so kunstvoll es ist, die wenigsten von uns werden es so wie es dasteht verstehen. Und ich gestehe: Auch meine Lateinkenntnisse sind in die Jahre gekommen. Aber was nützt einem ein so kunstvolles Lied, wenn man es nicht verstehen kann? Das dachte sich wohl auch Martin Luther.
Für ihn war nämlich wichtig, dass die Gemeinde versteht, was sie da im Abendmahl feiert. 1523, also ein Jahr vor seiner Dichtung, schrieb Martin Luther bei seinem Entwurf eines Gottesdienstes, dass die Bewerber für das Abendmahl darüber befragt werden sollen, „ob sie verstehen, was das Sakrament sei, was es nützt und wozu sie es brauchen.“

Das wussten nämlich viele Menschen zur Zeit Martin Luthers nicht. Damals feierte man die Eucharistie mit einem gewissen Aberglauben. Die Oblate beim Abendmahl war in den Augen vieler Menschen eine Art „Tablette“, eine Medizin zum ewigen Leben, die man einfach nur schlucken muss und die dann ihre Wirkung entfaltet.

Das war Martin Luther zu wenig. Also setzte er sich hin und begann dieses Lied zu verbessern. Und da Martin Luther davon ausging, dass dieses wunderschöne Lied vom Abendmahl von Johannes Hus stammt, dem große Reformator Böhmens, der für die Feier des Abendmahls mit Brot und Wein eingetreten war, überschrieb Martin Luther sein Abendmahlslied mit den Worten: „Das Lied Sanct Johannes Hus gebessert“

Nun, wer über ein Lied solche Worte setzt, muss sich fragen lassen, wo er denn dieses Lied verbessert hat. Würden wir Martin Luther fragen, würde er uns wahrscheinlich antworten: Ich habe es in zweierlei Hinsicht verbessert, musikalisch und theologisch.

Martin Luther hat nämlich dieses Lied wohl musikalisch stark bearbeitet. So sind zum Beispiel die Zeilen zwei und drei fasst parallel aufgebaut. Und würden wir uns länger die Noten des Liedes anschauen, würden wir auch allein entdecken, dass die letzten 5 Noten der zweiten Zeile identisch sind mit der letzten Zeile. Leider hat unser EG Luthers ursprüngliche Liedfassung ein wenig verändert, zum Schlechteren, sagen die Musikwissenschaftler. Die erste Zeile ist nämlich ursprünglich etwas anders:
Herr Eisenack wird einmal die erste Zeile in ihrer ursprünglichen Form vorspielen.

Und jetzt in der Form, wie sie heute im EG steht. Haben Sie es gemerkt?

Würde man die ursprüngliche Form singen, läge die Betonung auf „Christus“ und „Heiland“. Christus ist unser Heiland. Nicht die Oblate an sich, sondern der, an den sie erinnert. Das, was er für uns getan hat, ist das Wichtige.

Aber noch viel wichtiger als die Bearbeitung und Verbesserung der Melodie ist die theologische Überarbeitung des Liedes. Ist die ursprüngliche Version des Liedes eine „Verherrlichung des Altarssakraments“(Spitta), so liefert Martin Luther durch seine Version eine Anweisung, wie man das Abendmahl würdig empfängt.
Darum ging es ihm: dass das Abendmahl nicht gedankenlos, nicht würdelos, nicht gotteslästerlich gefeiert wird. Dass das Problem, unwürdig das Abendmahl zu feiern,
schon in der noch jungen Christenheit auftrat, haben wir eben in der Epistellesung gehört. Luther hatte diese Zeilen im Ohr, als der sein Lied dichtete, um seinen Hörern noch einmal deutlich zu machen, worauf es ankommt: Die erste Strophe erinnert daran, was Christus für uns getan hat. Durch sein Leiden befreite er uns aus der Höllenqual. Nun muss man sich bei diesen altertümlichen Worten vor Augen halten,
wie sehr sich die Menschen damals davor fürchteten, in der Hölle zu landen.
„Angst vor der Hölle? Angst vor dem Bösen? Vergiss es, würde Luther uns zurufen.
Christus hat ein für alle Mal dafür gesorgt, dass dein Leben von Gott gehalten ist.
Und dass ist eine Botschaft, die auch uns heute noch erreichen kann, in einer Welt, die immer chaotischer zu werden scheint und so mancher den Halt und die Orientierung verliert.

Die zweite Strophe mahnt, dass man dies nicht vergessen soll und stellt klar, dass Gott verborgen in Brot und Wein uns Menschen begegnet und uns spürbar nah kommt..
Die ursprünglich dritte Strophe fehlt in unserem Gesangbuch, wie übrigens auch die ursprünglich 6. Strophe. Malen die anderen Strophen den Trost vor Augen, den das Abendmahl spendet, zu dem die Armen kommen dürfen, weil dort die Speise zu finden ist, die die Seele erquickt und uns somit zur Nächstenliebe antreibt, so haben die 3. Und 6. Strophe, einen mahnenden Charakter.

Wer sich will zu dem Tisch machen, der hab wohl acht auf seine Sachen.
Wer unwürdig hinzugeht, für das Leben den Tod empfeht.
Und auch die 6. Strophe warnt vor einem unwürdigen Empfang, damit man keinen bösen Lohn kriegt. In der Tat sind dies unangenehme Aussagen. Aber darf man sie deshalb einfach so aus dem Lied streichen?
Ich möchte uns hierzu zwei Gedanken mit auf den Weg geben:
Zum einen hat Martin Luther, wie viele nach ihm die eben gehörten Zeilen aus dem Korintherbrief wohl nicht ganz korrekt verstanden. Unwürdig feiern die Korinther das Abendmahl nämlich nicht, weil sie der Gottesdienstfeier nicht aufmerksam folgen,
sondern weil sie diese Abendmahl als richtige Mahlzeit feiern und diese zu sich nehmen, während andere in der Gemeinde noch arbeiten müssen und erst kommen können, wenn der Tisch schon leer gefuttert ist.
Ja, wir Menschen können das Abendmahl unwürdig feiern, aber nicht dadurch,
dass wir als Evangelische an der katholischen Feier teilnehmen oder umgekehrt,
oder dadurch, dass wir mit dem Gefühl, Schuld auf uns geladen zu haben, zum Abendmahl gehen, es will uns ja gerade darin gewiss machen, dass Gott uns unsere Schuld vergibt. Nein, sondern unwürdig feiern wir das Abendmahl dann, wenn wir uns unserer sozialen Verantwortung entziehen. Wir können keine schönen Gottesdienste feiern, wenn wir nicht auch die Notleidenden um uns herum im Blick haben.
Das war Paulus wichtig und in diesem Sinne sollten wir die ursprünglich 3. und 6. Strophe von Martin Luthers Lied verstehen.
Aber auch wenn Martin Luther Paulus falsch gedeutet hat, so hat er doch zu Recht den Schwerpunkt darauf gelegt, dass wir als Glaubende verstehen, was und wen wir im Abendmahl feiern.

Denn es geht ja bei der Feier des Abendmahls nicht einfach darum, an einem Ritual teilzunehmen, sondern darum dass wir Christus begegnen, dass wir nachvollziehen können, wie Gott durch Brot und Wein zu uns spricht, und dass der Trost, der uns geschenkt wird, uns auch in eine Verantwortung stellt, nämlich die Barmherzigkeit Gottes an unseren Nächsten weiterzugeben.
Darum war es gut, dass Martin Luther, das lateinische Lied über das Abendmahl in ein deutschsprachiges verwandelt hat, mit den Akzenten, die zu seiner Zeit wichtig waren,

mit einer Melodie, die für seine Zeit schön, andächtig und eingängig war.
Und wir folgen Luther, wenn wir seinen Liedern von damals neue zur Seite stellen,
die in unserer Sprache neu von der Liebe Gottes singen, mit den Akzenten, die uns heute wichtig sind.
Darum wollen wir gleich versuchen ein paar Strophen dieses alten Lutherliedes zu singen, um dann später als Lied zum Abendmahl ein neueres zu singen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsre Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

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