Liebe Gemeinde,

Zeitungen sind eine schöne Sache. Zu relativ günstigem Preis erhält man regelmäßig
ausführliche Informationen über die wichtigsten Nachrichten der Welt oder der Region. In den ausführlichen Berichten – die ja viel ausführlicher sind als bspw. Die Nachrichten im Fernsehen – kann man wichtige Aussagen von Persönlichkeiten zitieren und als Redakteur Ereignisse deuten.

Wie war das eigentlich, als es noch keine Zeitungen gab? Da konnte man auf dem Markt durch einen Herold Bekanntmachungen ausrufen lassen.

Man konnte handgeschriebene Aushänge an Kirchentüren aufhängen, oder an anderen Stellen, wo regelmäßig Menschen vorbeikamen. Oder man konnte – und so war es lange Zeit Brauch – durch Lieder Nachrichten verkünden. Hierfür gab es eine eigene Rubrik: Die sogenannten Zeitungslieder.
In einem alten Zitat aus dem 17. Jahrhundert heißt es:
„Der Zeitung Singer kompt/ und singt die Zeitung in dem Thon:
Kompt her zu mir spricht Gottes Sohn“

Warum erzähle ich Ihnen das? Das Lied von Martin Luther, das ich heute mit Ihnen betrachten möchte, ist ein solches Zeitungslied.
Manche sagen auch es ist ein Katechismuslied, also ein Lied, das den Glauben erklären will. Denn darum geht es ja Martin Luther in diesem Lied: Er möchte seinen Hörern und Sängern erklären, was die Taufe bedeutet. Darum taucht dieses Lied auch
1543 in einem Wittenberger Gesangbuch auf, in dem in einem Vorwort davon die Rede ist, dass es sich bei diesen Liedern um einen kurz gefassten „Catechismus in geistlichen Gesängen“ handelt, also um 5 Lieder die die entscheidenden Teile unseres Glaubens erklären: die 10 Gebote, das Glaubensbekenntnis (das wir ja eben gesungen haben) das Vater unser, die Taufe und das Abendmahl zusammen mit der Beichte.
Aber auch wenn Martin Luther dieses Lied den Katechismusliedern zuordnet,
so unterscheidet es sich doch ein wenig von dem typischen Katechismuslied.
Denn Katechismuslieder bestanden in der Regel aus einfachen 4-zeiligen Strophen,
die man sich gut merken konnte – und darauf kam es ja an. Zum Beispiel Luthers Lied zum Vater unser (EG 231)
„Dies sind die heilgen zehn Gebot,
die uns gab unser Herre Gott
durch Mose, seinen Diener treu,
hoch auf dem Berge Sinai.“


Vierzeiler kann man sich gut merken. In unserem heutigen Lied besteht aber eine Strophe aus 9 Zeilen. Sie ist also viel schwieriger zu lernen. Und darum sagen die Musikwissenschaftler: Auch wenn Luther hier den Glauben erklärt, eigentlich ist dieses Lied ein Zeitungslied, ein Lied, das gar nicht unbedingt auswendig gelernt werden soll, Denn ein Zeitungslied soll eine Geschichte erzählen, von einem wichtigen Ereignis berichten, soll Zitate beinhalten und das Geschehen deuten.
Und alle diese Elemente finden sich eben auch in diesen Lied Luthers über die Taufe.
Singen wir einmal die erste Strophe

Christ, unser Herr zum Jordan kam! Das ist die besondere Nachricht, die Schlagzeile sozusagen, die der Zeitungssänger verkünden will: Jesus kommt zu Johannes dem Täufer und lässt sich taufen. Und eben damit findet die Grundlegung der Taufe statt.
Das ist das Besondere an diesem Lied: Martin Luther fängt mit seiner Erklärung der Taufe nicht bei dem Taufbefehl Jesu an, den wir bei jeder Taufe verlesen, sondern mit der Geschichte, als Jesus sich selbst taufen ließ, mit der Geschichte, als Jesus so sehr Mensch wurde, dass er das tat, was damals die Versager, die Gescheiterten, die Verzweifelten taten: sie ließen sich von Johannes taufen, um einen Neuanfang mit Gott zumachen. Die Taufe beginnt dort: Wo Jesus sich uns Menschen in unserer Schwachheit an die Seite stellt. Um was zu tun? Um uns ein neues Leben zu schenken!

„Es galt ein neues Leben!“ Das ist die letzte Zeile und es ist eine außergewöhnliche Zeile, zumindest musikalisch betrachtet. Denn eigentlich könnte das Lied ganz gut ohne diese Zeile enden. (Frau Lehmann spielt es einmal vor)
Würden Sie diese letzte Zeile nicht schon kennen, liebe Gemeinde, Sie würden sie nicht vermissen. Wie ein Fanfarenstoß erscheint diese Zeile am Ende und verkündet die frohe Botschaft: durch die Taufe, dadurch das Jesus sich uns zur Seite stellt und sein Leben hingibt für uns kann der Mensch ein neues Leben finden.
Aber was ist denn die Taufe? Das macht die zweite Strophe deutlich:
„So hört und merket alle wohl!“ (Hier taucht er auf, der Herold, der die Topnews zu verkünden hat.) Mit anderen Worten: Was jetzt kommt ist ganz wichtig.
Denn jetzt erklärt Martin Luther, wie er das Sakrament der Taufe versteht. Und das ist insofern wichtig, als das Sakramentsverständnis ganz konkrete Auswirkungen auf mein Leben hat. Luther erklärt die Taufe so:
„Gott spricht und will, das Wasser sei, doch nicht allein schlicht Wasser,
sein heiliigs Wort ist auch dabei, mit reichem Geist ohn Maßen“

Mit dieser Umschreibung grenz sich Martin Luther gegen das damalige katholische Verständnis ab, bei der mit der Vorstellung vom geweihten Wasser, sprich Weihwasser, dem Wasser selbst eine magische Bedeutung gewinnt.

Nein, sagt Martin Luther: Dass und das Wort, das dazu kommt, wirken am Menschen.
Aber sich Martin Luther grenz sich auch gegen die andere Seite ab, die den Schwerpunkt nur noch auf das Wort, auf das Geistige legt, gegen die , die sagen: „Was sind schon Symbole oder Riten, entscheidend ist doch, wie der Mensch lebt!“

„Nein!“, würde Martin Luther sagen. Denn weil in der Taufe wirklich etwas geschieht,
weil da Gottes Wort mit dem Wasser in deinem Leben etwas neues wirkt, darum ist auch der Ritus der Taufe wichtig. Diese beiden ersten Strophen sind sozusagen die Überschrift oder der Teaser, wie man neudeutsch sagt: Christus hat sich taufen lassen! Darum schenken Wasser und Wort schenkt neues Leben.
Die weiteren 4 Strophen sind dann sozusagen der eigentliche Zeitungsartikel.
(Lassen Sie uns einmal diese 4 Strophen singen)
Und jetzt kommt das, was zu einem Zeitungsartikel gehört: Berichte und Zitate und natürlich Bilder. „Solch hat er uns gezeiget klar, mit Bildern und mit Worten“ Die Strophen drei und vier erzählen das, was wir eben als Evangeliumslesung gehört haben. Jesu Taufe durch Johannes im Jordan. Und Luther schafft es, fast wörtlich die Rede Gottes im Evangelium in Reimform zu zitieren. Und er kommentiert dieses Geschehen: Schon hier, in der Taufe Jesu wird deutlich: In der Taufe handeln Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist zusammen. Das macht das Bild der Taube deutlich.
Martin Luther ist es wichtige, dies zu betonen, damit wir Menschen nicht daran zweifeln, dass in der Taufe Gott selbst an uns handelt.
Auch wenn die Taufe von einem Menschen durchgeführt wird, auch wenn es scheinbar nur Wasser ist, das hier über den Kopf gegossen wird, in der Taufe handelt Gott in seiner ganzen Fülle in unserem Leben. Und darum hat diese Botschaft auch zwei Konsequenzen: Von der ersten Konsequenz erzählt die fünfte Strophe: Weil die Taufe ein neues Leben schenkt, ein ewiges Leben, dem der Himmel verheißen ist,
darum möchte Jesus, dass seine Jünger hinausgehen und die Menschen zu diesem Glauben und dieser Taufe einladen. Nun könnte man einwenden uns fragen:
Was heißt denn ewiges Leben? Bleibt nach so einer Taufe nicht alles beim alten?
Die Antwort darauf ist: Nein und Ja!
Nein deswegen, weil dort, wo ich wissen darf, dass es für mich jenseits dieses Lebens noch ein Leben gibt, sich meine Perspektive auf diese Welt vollkommen ändert.
Ein Beispiel? Es macht einen immensen Unterschied, ob ich dort, wo ich von anderen Menschen abgelehnt werde – und manche Menschen werden ja sogar von ihren eigenen Eltern abgelehnt – nur noch mich selbst habe oder darauf vertrauen kann, dass auch dort, wo andere mich ablehnen, einer da ist, der mich will und mich unendlich liebt: Gott. Von daher gilt: Nein, es bleibt nach der Taufe nicht alles beim Alten. Die Perspektive auf mein Leben ändert sich grundlegend.
Und es gilt auch das andere: Ja, es bleibt alles beim alten, wenn du dieser Botschaft keinen Glauben schenkst. Das ist die zweite Konsequenz, die Martin Luther in der 6. Strophe deutlich macht, wo in Anlehnung an den Taufbefehl des Markusevangeliums von der Verdammnis die Rede ist. Wir mögen über solche Formulierungen ein wenig erschrecken, aber das ändert nichts daran, dass diese Strophe uns zu Recht an etwas erinnert, dass wir nur allzu gerne verdrängen: unser Handeln hat Konsequenzen.
Ob man uns im Fall einer Erkrankung helfen kann oder nicht, hängt davon ab, ob wir glauben, dass Mediziner uns helfen können. Wir können krankenversichert sein und sämtliche Zusatzleistungen im Vertrag haben. Wenn wir der Meinung sind wären, dass alle Mediziner Quacksalber sind, würde uns auch die beste Versicherung nicht helfen.
Ganz so ist es eben auch mit der Taufe und dem Glauben: Wir können diese Zusage der Liebe Gottes haben, schwarz auf Weise, in Form einer Urkunde oder im Stammbuch eingetragen, wenn wir davon ausgehen, dass das mit dem Glauben alles nur „Quacksalberei“ ist, wird uns diese Botschaft in unserem Leben keine Veränderung hervorbringen, dann wird alles beim Alten bleiben.
Und diesen Gedanken hebt Luther noch einmal in der letzten Strophe hervor: „Das Aug allein das das Wasser sieht, wie Menschen Wasser gießen, der Glaub im Geist die Kraft versteht, des Blutes Jesu Christi.“ Ich gebe zu, liebe Gemeinde, die Sprache, die Luther hier gewählt hat, kling ein wenig archaisch. Aber im Grunde will er uns nur daran erinnern, dass es die Liebe Gottes ist, die sich in Jesu Lebenshingabe einmalig offenbart hat, die den Menschen aus dem Kreisen um sich selbst befreien kann.
Und das ist auch heute noch eine wichtige Botschaft, die unbedingt gehört werden muss.
Lassen Sie mich noch kurz einen weiteren Gedanken zur Melodie dieses Liedes anfügen: Wenn Sie beim Singen dieses Liedes ein befremdliches Gefühl haben,
dann seien Sie nicht beunruhigt, sondern gehen Sie davon aus, dass es allen hier im Gottesdienst so ergangen ist – ausgebildete Kirchenmusikerinnen mal ausgenommen.
Dieses Lied ist auch regelmäßigen Gottesdienstbesuchern kaum bekannt. Ich bin ganz ehrlich: Ich habe es in meinen nun rund 20 Jahren Dienstzeit auch noch nie singen lassen. „Gut so!“, wird jetzt vielleicht mancher denken. Denn es ist ein sperriges Lied, das überhaupt nicht eingängig zu sein scheint. Für die Menschen zur Zeit Martin Luthers war es das auch ein wenig. Denn üblicherweise gab es bei geistlichen Liedern keine Achtelnoten zum Auftakt. Das wird deutlich, wenn sie einen gregorianischen Choral hören. Gleichmäßige Noten werden da gesungen. Diesen Achtelauftakt und die anderen akzentuierenden Noten kennt man eigentliche eher vom Tanzen, von weltlichen Liedern. Wenn Martin Luther diese Form von Musik nun für geistliche Lieder wählt, dann bringt er musikalisch betrachtet, die gute Botschaft sozusagen aus der Kirche auf die Straße, aus dem sakralen Raum dorthin, wo die Menschen leben.
Und ebendarauf kommt es an, dass wir das, was wir im Gottesdienst bekennen, Teil unseres Alltags wird, das das neue Leben, das wir preisen, Gestalt gewinnt in der Welt, in der wir leben. Dieses Lied muss nicht zu unserem Lieblings werden, aber es kann uns daran erinnern, dass der Auftrag nach wie vor derselbe ist: Nimm deinen Glauben und trag ihn in die Welt, in der du lebst, in der Art und Weise, die heute dein Leben und das Leben anderer prägt.

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